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14. Photovoltaiktagung 22.2.216 Politische Rede: die nächsten Schritten
Sehr
geehrte Damen und Herren Lassen
Sie uns heute, 2016, an zwei tragische Ereignisse zurückdenken.
Im
dem Jahr, das gerade hinter uns liegt, 2015, gab es zum Glück kein
Ereignis dieser Art. Dennoch können wir von zwei unabwendbaren
Katastrophen sprechen, die schleichend voranschreiten,
„ongoing“, wie die Englischsprachigen unter uns sagen würden:
Paradoxerweise
hat die internationale Gemeinschaft am Ende genau dieses Jahres 2015
auf der UN-Klimakonferenz in Paris endlich eine echte Klimapolitik
auf den Weg gebracht. Wir haben damit eine Linie, der wir folgen können. Bevor
ich nun zur Energiepolitik übergehe, möchte ich noch kurz auf den
Handlungsspielraum eingehen, den die Schweiz ausserhalb der
Energiepolitik hat. Dieser Spielraum mag nicht gross sein. Dennoch
ist offensichtlich, dass wir unsere Möglichkeiten als Vermittler in
Konflikten wahrnehmen und auch Flüchtlinge kurz- und langfristig
unterstützen müssen. Ich denke dabei insbesondere an die Lage in
der Türkei, in Jordanien und im Libanon. Wir müssen ernsthafte
Entwicklungshilfeanstrengungen unternehmen. Die Schweiz leistet in
vielen Ländern bereits gute Arbeit. Ihre Rolle als Finanzplatz
steht allerdings nicht immer im Einklang mit ihren
entwicklungshelferischen Ambitionen. Nicht selten verstecken genau
diejenigen, die die Entwicklung ihres Landes sabotieren oder seinen
Wohlstand abschöpfen, ihr Geld in der Schweiz. Dies wirft kein sehr
gutes Licht auf uns. Insbesondere
aber – und hier nähern wir uns energiepolitischen Themen – müssen
wir unbedingt unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
reduzieren. Die Schweiz spielt in dieser Hinsicht eine international
sehr konstruktive Rolle. Für ein kleines Land, dessen Emissionen
ungefähr ein Tausendstel der weltweiten Emissionen ausmachen, ist
die internationale Zusammenarbeit der beste Ansatzpunkt. Um aber
international Gewicht haben zu können, muss man zuallererst zu
Hause glaubwürdig sein. Anders ausgedrückt, wir müssen in der
Schweiz selbst zu einem substanziell geringeren Verbrauch fossiler
Energien kommen und dürfen diesen im Ausland nicht einkaufen. Diese
Art eines Ablasshandels zum Erlass der eigenen echten oder
eingebildeten Sünden passt eher ins Mittelalter, nicht aber in
einer modernen Klimapolitik. Unsere
Verantwortung als politische Entscheidungsträger, aber auch als Bürgerinnen
und Bürger ist es, hier auf Ebene der Schweiz aktiv zu werden. Es
gehört zum guten Ton, sich über die Untätigkeit der Politik zu
beschweren. Und dennoch offenbart ein Vergleich der Ereignisse nach
Tschernobyl und nach Fukushima einen tiefgreifenden Wandel: Nach
1986 hat sich die Schweiz noch mit ihrem beliebtesten Instrument
begnügt, dem Moratorium. Damals gab es nicht einmal den Schatten
einer ernsthaften Politik für den quantitativen Ausbau erneuerbarer
Energien. Und auch die Klimapolitik stand noch nicht wirklich auf
der Agenda. Im
Jahr 2011 wandte sich die Schweiz einer wesentlich ambitionierteren
Klimapolitik zu. Allerdings waren
die entsprechenden Weichenstellungen schon vor
der Katastrophe von Fukushima erfolgt. Vor
allem aber hat die Schweiz in 2011 eine grundsätzliche Entscheidung
getroffen. Sie hat im Grundsatz beschlossen, aus der Kernenergie
Auszusteigen, den Bau neuer Kernkraftwerke zu untersagen und den
Schwerpunkt auf Energieeffizienz und die Entwicklung erneuerbarer
Energien zu legen. Zum ersten Mal hat die Regierung anerkannt, dass
Solarenergie – Solarthermie oder Photovoltaik – zu einer
tragenden Säule unserer Energieversorgung werden wird. Da
sich diese ernsthafte Politik nicht mit Ankündigungen begnügt,
sondern wirksame Massnahmen wie die KEV beinhaltet dauert die
Beschlussfassung, wie wir alle sehr gut wissen, einige Zeit. Wir
sind jetzt kurz vor dem Ziel, nur wenige Monate von der endgültigen
Abstimmung und einem möglichen Referendum entfernt. Ich komme noch
darauf zurück. Grade
weil diese Politik wirksame Massnahmen enthält, haben die Gegner
von Veränderungen alles versucht, um sie zu sabotieren. Im Grossen
und Ganzen waren sie damit nicht erfolgreich, selbst wenn es einige
Aspekte gibt, die uns nicht gefallen. Ein Beispiel ist die
Begrenzung neuer KEV-Projekte auf 2023. Dies ist besonders für die
Windenergie problematisch. Die Solarenergie aber wird sich mit dem
System der Einmalvergütung wohl aus der Affäre ziehen können. Neu
werden auch Anlagen bis zu 10 MW gefördert werden. Sie haben
richtig gehört: 10'000 kW. Es sei hier daran erinnert, dass
die Energiestrategie auch sehr wirksame Massnahmen für die
energetische Sanierung von Gebäuden und die Nutzung der
erneuerbaren Quelle zur Wärmegewinnung vorsieht. Die
Ergebnisse der eidgenössischen Wahlen von 2015, die durch den Flüchtlingszustrom
beeinflusst wurden, und damit indirekt durch den Hunger nach Erdöl,
sind leider nicht sehr positiv ausgefallen. Die rückwärtsgewandten
Kräfte sind gestärkt und mit einer theoretischen Mehrheit der
Kernkraftbefürworter aus diesen Wahlen hervorgegangen. Das macht
die Umsetzung einer guten Politik nicht gerade einfach. Aber
dennoch kann die Energiestrategie noch gerettet werden. Denn tatsächlich
arbeitet die Zeit aus mehreren Gründen für uns. Über alle
Parteigrenzen hinweg ist man sich nämlich einiger grundlegender
Entwicklungen bewusst:
Die
entscheidende Frage ist mittlerweile eine andere: Wenn wir die
Energiestrategie annehmen, wird die Energie, die wir verbrauchen, im
Wesentlichen in der Schweiz „geerntet“ werden. Wird die
Energiestrategie abgelehnt, wird die Schweiz ihren Nuklearstrom
durch Importe ersetzen, die wahrscheinlich aus fossilen Energieträgern
oder aus dem Kometenschweif der Kernenergie stammen. Das
erste Paket der Energiestrategie ist nur ein kleiner Schritt auf
einem langen Weg. Es ist jedoch ein Schritt, der eindeutig in die
richtige Richtung weist und trotz allem viel bewirken wird. Er wird
es uns nämlich erlauben, über die Hälfte unseres aus Kernenergie
gewonnenen Stroms mit Erneuerbaren zu ersetzen. Selbstverständlich
werden ihm weitere Schritte folgen müssen. Es
ist nun unsere politische Verantwortung, diesen Schritt auch zu
gehen. Wir werden damit Erfolg haben, wenn wir nicht ungeschickt
vorgehen und uns nicht selbst gegenseitig Steine in den Weg legen. Wir
müssen unser Äusserstes geben, um dieser Energiestrategie zum
Erfolg zu verhelfen. Sie, die Sie an vorderster Front am Ausbau der
Photovoltaik mitarbeiten, wissen sehr genau, dass wir auf diesem Weg
nie vorankommen, wenn nicht auch die KEV und die Einmalvergütung
auf den Weg gebracht werden. Sollte die Energiestrategie also
blockiert werden, bliebe die Finanzierung erneuerbare Strom bei 1,5
Rappen pro Kilowattstunde gedeckelt anstatt auf 2,3 Rappen zu
steigen. Dies würde zu einem dauerhaften Zusammenbruch der gesamten
Branche führen. In
unserem Lager gibt es einige, die bedauern, dass die
Energiestrategie sich am Vorschlag des Bundesrats ausrichtet und
keinerlei Datum für die Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke enthält.
Auch ich bedaure dies. Ich beobachte jedoch auch ganz prosaisch,
dass die Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke im Moment schneller
vonstattengeht als durch den Bundesrat geplant. Das erste, Mühleberg,
wird bereits 2019 nach 47 Betriebsjahren vom Netz gehen. Ein
weiteres Kraftwerk ist bereits seit einem Jahr ausser Betrieb, da
die Stahlstruktur des Druckbehälters frappierend einem alten
Vacherin Fribourgeois ähnelt. Für die Deutschschweizer unter
Ihnen: Der Vacherin Fribourgeois ist ein Käse ähnlich dem
Emmentaler, nur mit mehr und kleineren Löchern. Insbesondere
beobachte ich, dass uns die wirtschaftlichen Probleme, die die
Kernkraftwerke für ihre Eigentümer nach sich ziehen, mit
Riesenschritten zu einem Wendepunkt führen: Sie werden bald in
einer Art „Bad Bank“ entsorgt werden, wie damals die faulen
Titel der UBS oder in geringerem Masse die frühere Swissair. Das
hat einen ganz einfachen Grund: Mit Produktionskosten zwischen
viereinhalb und sieben Rappen pro Kilowattstunde lassen sich diese
Kraftwerke einfach nicht wirtschaftlich betreiben. Im Gegenteil,
diese Gesellschaften verlieren mit jeder Kilowattstunde, die sie von
ihren Tochtergesellschaften abkaufen, einen bis drei Rappen. Sie
kaufen beispielsweise für fünfeinhalb Rappen ein und verkaufen den
Strom weiter zu Grosshandelspreisen von dreieinhalb Rappen. Der Clou
dabei ist, dass es Verträge gibt, die die Energiekonzerne an ihre
Tochtergesellschaften binden und sie zwingen, diese Energie zu
kaufen. Sobald der Staat in der Pflicht wäre, sich um diese
nuklearen Altlasten zu kümmern, wäre es also nur logisch, die
Kraftwerke schnell zu schliessen, um noch grössere finanzielle
Verluste zu vermeiden. Ehrlich
gesagt habe ich als Steuerzahler fast noch mehr Sorgen als
Kernkraftgegner, wenn ich vom Ende dieses Abenteuers träume.
Dennoch würde ich ruhiger schlafen, wenn ich sicher sein könnte,
dass Beznau nie wieder ans Netz gehen würde. Ich
lasse diese Überlegungen zur Kernkraft nicht zufällig in meine
Abhandlung einfliessen. Es gibt eine eidgenössische
Volksinitiative, die nach 45 Jahren mit dieser Technik den Ausstieg
aus der Atomenergie fordert. Aus Gründen der parlamentarischen und
gesetzgeberischen Vorgehensweise – die Details möchte ich Ihnen
hier ersparen – wird das Volk zuerst über diese Volksinitiative
entscheiden. Erst dann, im wahrscheinlichen Falle eines Referendums,
wird die Energiestrategie 2050 zur Abstimmung kommen. Wir werden
daher zeitnah zwei Schlachten gleichzeitig führen
und beginnen mit der schwierigeren, der Volksinitiative. Die
romantischen Anhänger der direkten Demokratie möchte ich daran
erinnern, dass es im Allgemeinen die vernünftigen Initiativen sind,
die keinerlei Chance haben. Die einzigen Initiativen, die
durchkommen, sind diejenigen, die sich gezielt gegen kleine Gruppen
in der Bevölkerung richten, seien es Ausländer, Pädophile,
Minarette oder ausländische Lastwagen – oder am besten gleich pädophile
Lastwagen. Die
Verfasser der Initiative müssten daher beurteilen, ob es weise ist,
sie weiter zu verfolgen oder ob sie nicht besser zurückgezogen
werden sollte, damit wir unsere Kräfte ganz auf die
Energiestrategie 2050 konzentrieren können. Einerseits besitzen nämlich
die Lobbyisten der schmutzigen Energien eine gut gefüllte
Kriegskasse und damit die Mittel, auch mehrere aufeinander folgende
Abstimmungskämpfe zu finanzieren. Und andererseits sind es die
wirtschaftlichen Realitäten selbst, die der Kernkraft gerade das
Grab schaufeln. Die
Urheber werden diese schwierige Entscheidung nach der Frühjahrssitzung
treffen müssen, in der die Volksinitiative abschliessend im
Parlament behandelt wird. In einer repräsentativen Demokratie sind
es die gewählten Volksvertreter, die solch komplizierte
Entscheidungen treffen. In unserer halbdirekten Demokratie jedoch fällt
die Entscheidung den Bürgerinnen und Bürgern im Initiativkomitee
zu. Es ist eine schwere Entscheidung. Denn sollte die
Volksinitiative am Ende scheitern und die Energiestrategie mit sich
reissen, würden sie eine grosse Verantwortung vor der Geschichte
tragen. Aber
wie dem auch sei. Sollte zweimal abgestimmt werden, stimmen wir
zweimal mit „Ja“, sowohl für die Initiative als auch für die
Strategie 2050. Alle unsere Mittel sollten wir aber auf die
Strategie konzentrieren. Denn eines ist klar: Sollte die
Energiestrategie 2050 nicht im Jahr 2018 in Kraft treten, würde
dies für zahlreiche Unternehmen in unsere Branche das Ende
bedeuten. Massgeblich
ist der gesprochene Text. |
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Contact: Roger Nordmann, Rue de l'Ale 25, 1003 Lausanne, Twitter @NordmannRoger 1.04.2017 |